Aufgrund der Medienkrise werden Behörden vermehrt zu Herausgebern von Publikationsorganen und damit zu Verlegern. Wie beurteilen Sie diese Tatsache und damit die Vorgehensweise des Stadtrates?

Journalistisch und demokratisch gesehen ist das in der Tat nicht ganz unproblematisch, wenn Behörden die Informationshoheit haben und selbst als Verleger auftreten und publizieren. Allerdings ist das kein reines Gossauer Problem, sondern das ist in vielen Gemeinden so. Der Grund ist überall derselbe: den Medienhäusern und Verlagen fehlt das Geld, was schlussendlich vielerorts zu diesem Faktum führt.

Der Stadtrat lanciert das Stadtmagazin, ohne die Arbeit am Kommunikationskonzept abzuwarten. Wie beurteilen Sie dieses Vorgehen aus Sicht des Kommunikationsfachmannes?

Am Punkt, wo ich nun als Stimmbürger in der Mitverantwortung bin und über diesen Kredit abstimmen muss, möchte ich mehr über die Hintergründe wissen. Aus dieser Optik heraus hätte ich da tatsächlich gerne ein Gesamtkonzept, um zu verstehen, einzuordnen und zu entscheiden. Ist ja unser Steuergeld.

Der Stadtrat hat das neue Magazin unter dem Motto «digital first» lanciert. Trotzdem ist eine 14-tägliche Printausgabe geplant. Sehen Sie dies als Widerspruch?

Es scheint mir mit dem aktuellen Wissen, das ich habe, eine doch eher grosszügige Lösung zu sein. Der digitale Weg ist sinnvoll, er ist sehr schnell, breit und für alle zugänglich. Als Ergänzung brauchts hier aber kein halbwegs aktuelles Printmedium mehr. Eine tolle Ergänzung könnte aber ein gutes, gedrucktes Monatsmagazin sein, in dem Hintergründe und langfristige Themen bewirtschaftet werden. Bei gleichzeitig digital und 14-tägig bin ich mir nicht sicher, ob nicht vieles parallel und entsprechend aufwendig läuft.

Es existieren bereits eine private, breit genutzte digitale Newsplattform.

Der Stadtrat hat das Magazin aufgrund einer internationalen Ausschreibung einem Appenzeller Medienhaus zugesprochen, obwohl er auf einheimische Kompetenz hätte setzen können. Wie viel «Heimatschutz» darf oder muss sich eine Behörde leisten? Wie lässt sich dies mit der Initiative «Gossau hilft Gossau» vereinbaren?

Faktisch ist die Lage klar: Das Ausschreibungsverfahren war korrekt, der Sieger ist ein Sieger nach Punkten und dazu kommt, dass wir eine freie Marktwirtschaft haben. Persönlich und auch als Unternehmer bin ich gegenüber «Heimatschutz» auch skeptisch. In diesem Fall scheint es mir halt gleichwohl unglücklich. Kommunikation ist immer auch eine Sache von Emotion und Timing. Wenn in diesem sehr speziellen Jahr der Stadtpräsident von Gossau allen ans Herz legt, das Geld möglichst in Gossau auszugeben, liegt zumindest die Kommunikation dieses Entscheides quer in der Landschaft. Auf der einen Seite bei anderen an die Solidarität zu appellieren und selbst sich dann auf den «Markt» zu berufen, ist nicht falsch, ich erachte es aber nach wie vor als emotional und vom Timing her ungeschickt.

Eine tolle Ergänzung könnte ein gedrucktes Monatsmagazin sein.

Gossau hat mit gossau24 eine Online-Plattform, die sich bereits etabliert hat. Trotzdem möchte die Stadt einem Appenzeller Medienhaus den Auftrag zu einer neuen digitalen Newsplattform erteilen. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass – je nach Ausgang der Abstimmung – ein subventionierter Newskanal in direkter Konkurrenz zur Privatwirtschaft steht? Ist dies aus Ihrer Sicht eine zulässige Wettbewerbsverzerrung?

Ob das zulässig ist, müssten Juristen entscheiden. Als Stimmbürger, der sich eine Meinung bilden muss und sich mit den Hintergründen befassen möchte, stelle ich mir diese Frage schon auch. Man hat bereits eine etablierte, private, breit genutzte Plattform. Das ist zwar kein Einzelfall und legitim. Es bleibt aber heikel, wenn staatlich subventionierte Dienstleistungen in direkter Konkurrenz zu privatwirtschaftlichen stehen.

Der Stadtrat möchte also zwei digitale Newsplattformen. Konkurrenz belebt das Geschäft, könnte man denken. Wie beurteilen Sie diese Tatsache als Kommunikationsfachmann und aus Sicht des einheimischen Gewerbes, welches den Werbefranken allenfalls aufteilen muss?

«Wer zwei Hasen jagt, fängt keinen.» Wer sich auf zwei Dinge konzentriert, tut es auf keines. Wenn ich mir als Unternehmer überlegen muss, wo ich zum Beispiel meine Online-Banner-Werbung platzieren möchte, muss ich mich für eine Plattform entscheiden oder ich muss das Budget aufstocken oder mir bewusst sein, dass ich, wenn ich es aufteile, bei keiner eine hohe Wirkung erziele. Oder eine der beiden Plattformen setzt sich irgendwann so durch, dass klar ist, bei wem ich die grössere Reichweite bei meinem Zielpublikum erreiche.

Würde mit einem NEIN zur Kreditvorlage das Bedürfnis nach verbesserter Kommunikation für die Stadt Gossau widerlegt?

Abstimmungsergebnisse zu interpretieren, überlasse ich den politischen Akteuren. Abstimmungsparolen herauszugeben, ist eine Sache der Interessengruppen. Als in der Verantwortung stehender Stimmbürger suche ich mir Antworten auf oben stehende Themen und Fragen, damit ich meinen Entscheid fundiert und auch aus der Kommunikationsoptik heraus fällen kann. Diese Zeit bis zur Abstimmung soll ja jetzt dafür da sein. 

Interview: Franziska Cavelti 

Gossauer Kommunikationsexperte

Von 1997 bis 1999 war Stefan Häseli als Ausbildungsleiter bei der Schweizerischen Post tätig, bevor er als Verkaufstrainer in einem internationalen Beratungsunternehmen arbeitete. Seit rund 20 Jahren ist ­Häseli als Keynote Speaker und Kabarettist tätig und bietet als Geschäftsführer der Atelier Coaching & Training AG verschiedene Beratungs- und Coachingangebote zu den Themen Organisationsentwicklung, Kommunikation, Führung und Verkauf.

Sein Wissen teilt Stefan Häseli auch in verschiedenen Publikationen. So erscheint seine satirische Kolumne «Hannes managt» regelmässig in der Fachzeitschrift HR Performance. Er hat auch mehrere Bücher veröffentlicht und analysiert regelmässig als Kommunikationsexperte in TV- und Radiosendungen. 

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